Das erste Mal, dass ich Mamat traf. Und er weiß, es ist gut. Zum ersten Mal schafft er es, seine
verkrümmten Arme unter seinen Körper zu bekommen und stützt sich auf, in meine Richtung! Wenn ich mich wegbewege, rollt er wieder auf mich zu.
Er ist 7 Jahre alt, hat aber das Gewicht eines 3 Jahre alten Orang-Utans. Sein vollständiges Gebiss steht in krassem Gegensatz zu seinen dünnen und kraftlosen Armen und Beinen. Über Jahre hinweg lebte er auf einer Hühnerfarm bei Singkawang in einem sehr kleinen Käfig, in dem er nicht einmal stehen konnte. Als Mamat hier in Sintang ankam, an einem Abend etwa vor 2 Wochen, gab es kein Licht in seinen Augen, keine Bewegung in seinem Körper, und die Mitarbeiter des Forstministeriums, die ihn brachten, und unsere Leute hatten Angst, dass er in derselben Nacht sterben würde.
Aber er lebte bis zum Morgengrauen und jetzt ist er mehr als lebendig! Ich verbrachte ein paar berührende Stunden mit Mamat an diesem Morgen. Adang und Denny, die beiden Orang-Utan Pfleger am Sintang Orang-Utan Zentrum, die am meisten mit Mamat arbeiten, nahmen mich eifrig mit in sein Gehege, wo er auf einem Bett aus frischen Waldblättern lag, seine Augen lebten auf, als er sie sah. Er kann seine Beine nun etwas bewegen, wie sie mir erzählten, und er hat sich das erste Mal herum gerollt! Ich bin darüber glücklich, aber auch noch mehr über das ernsthafte Gefühl der Sorge auf ihren Dayak Gesichtern, wenn sie mir von Mamat erzählen!
Ich setze mich neben Mamat hin und ein bisschen unsicher, aber nicht verschreckt, nimmt er von mir Notiz, dreht langsam seinen Kopf zu mir. Aber dann der Moment des Erkennens! Er bewegt seine Lippen nur dieses eine bisschen und mit einer sehr geringen Veränderung in seinen Augen, kann ich sehen, dass er keine Gefahr sieht und Interesse zeigt! Denny filmt, während ich mich mit Mamat anfreunde. Ich berühre und massiere die Stelle gerade unter seinem kleinen rechten Ohr und hinter seinem Unterkiefer, eine Lieblingsstelle bei fast allen Orang-Utans! Bald zeigt mir Mamat mit seinen Augen, wo die Stelle auf seinem Rücken ist, die er von mir massiert haben möchte!
Dieses Bild zeigt, wie Mamat im Sintang Orang-Utan Zentrum ankam. Unfähig, sich zu bewegen und ohne Licht in seinen Augen… Die Banane hängt dort, falls er versucht seinen rechten Fuß zu benutzen, den einzigen mit ein bisschen Bewegung darin, um sie zu berühren und schließlich zu packen und herunter zu ziehen.
Als ich aufhöre und mit den Orang-Utan Pflegern über seine Behandlung rede, passiert etwas Wundervolles! Er schafft es irgendwie seine Arme unter sich bekommen und drückt sich mit all seiner Kraft nach oben zu mir! Mit seiner leicht vorgestreckten Unterlippe, fragt er mich, fast bettelt er, nochmal zu ihm zu sprechen. Ich beuge mich zu ihm hin und wir schauen uns in die Augen mit vielleicht gerade mal 5 Zentimetern zwischen uns und wir sind in unserer eigenen Welt… Kein Geräusch der Menschen im Hintergrund mehr, die die neue Klinik bauen, keine lärmenden Motorräder mehr in der Ferne, keine redenden Menschen, kein Jojo und Juvi, die im benachbarten Käfig herumtollen, keine Vögel oder Insekten hört man, nur dieser besondere, begrenzte Moment in Raum und Zeit für Mamat und mich, wie wir still in unsere Augen schauen… in unsere Seelen…
Nach einer Weile bitte ich Adang, mir zu zeigen, wie er Mamat’s gefühllose Arme und Beine behandelt. Adang zeigt mir, wie er vorsichtig Mamat’s verkrümmte Finger streckt, bis zu dem Moment als ich durch seine Augen und Lippen und der Bewegung seines Kopfes sehe, dass er Schmerzen hat. Ein Gummispielzeug wird nun in seine etwas geöffnete Hand gelegt. Sehr gut. Ich zeige Adang, wie er Mamat am besten massieren kann und es ist ein warmes und flaumiges Gefühl, zu sehen, mit wieviel Liebe Adang diesen armen, extrem dünnen Orang-Utan behandelt. Mamat hat nahezu keine Muskeln oder Fleisch. Er ist sehr unterernährt, so dass Dr. Sri ihn auf eine vitaminreiche Diät gesetzt hat. Trotz seines sehr schlechten gesundheitlichen Zustandes sind seine Augen hell und leuchtend.
Mamat lacht! Ich frage mich, wie lange er das nicht gemacht hat… Er bittet mich, weiter zu machen und mit den geringsten Augen- und Kopfbewegungen führt er mich zu den kitzeligen Stellen, genauso wie es auch menschliche Kleinkinder tun.
Mamat ist wieder neugierig! Seine Augen scheinen wieder, nach vielen langen, einsamen und dunklen Stunden in dem schrecklich stinkenden Käfig inmitten der tausenden von Hühnern, wo er Jahr für Jahr sah, wie sie grausam weggenommen wurden.
Es ist an der Zeit nach Penai, einem anderen, lange Zeit gequälten weiblichen Orang-Utan zu sehen. Sie hat in den vergangenen 2 Monaten ziemlich zugenommen und bewegt sich schnell und behände durch ihr geräumiges Gehege. Sie hat alle medizinischen Tests bestanden und ihre Augen und ihr Haar scheinen in der Sonne, die durch die Blätter kommt. Heute wollen wir sie zum ersten Mal den beiden herumtobenden Mädchen, ein paar Käfige weiter weg, vorstellen.
Wir haben einen speziellen Tunnel gebaut, damit sie sich frei von einem Käfig zum nächsten bewegen können, indem sie verschiedene Abschnitte öffnen. Zuerst geben wir Penai die Möglichkeit in den Käfig von Jojo und Juvi zu gehen, aber sie ist sich nicht so sicher und hält an, kurz bevor sie den letzten Abschnitt überschreitet. Wir drehen das Ganze also um und in Nullkommanichts befinden sich Jojo und Juvi, die beiden ungestümen Mädchen, in Penai’s Teil des großen Geheges. Penai quieckt ziemlich viel und versucht Jojo auf den Kopf zu hauen, jedesmal wenn sie Penai berühren will. Aber Jojo schert sich nicht darum und versucht weiterhin Penai oben im Gehege zu erreichen. Als Penai ein bisschen härter zuschlägt, kommt Juvi sofort dazu, um Jojo zu unterstützen! Wir beschließen also, Jojo etwas Zeit zu geben und lassen Juvi und Penai zusammen. Viel besser. Die beiden untersuchen sich gegenseitig in Ruhe, bis Juvi die Initiative ergreift und ihre Überlegenheit demonstriert, obwohl Penai viel größer ist. Morgen werden wir es wieder versuchen, aber für heute bringen wir alle wieder zurück in ihre gewohnten Bereiche. Jojo nuckelt wieder am kleinen Zeh ihres rechten Fußes und Juvi testet die neuen Lianen aus, die in der Zwischenzeit durch ihr Gehege gezogen wurden.
Jeden Tag einen Millimeter… Langsam aber sicher fangen Mamat’s Finger an, sich zu öffnen! Er weiß, dass Adang’s Bemühungen mit der Massage und den Spielzeugen helfen.
Nach einem Treffen mit einigen der Dajak aus Tembak gehe ich am Nachmittag zurück zu Mamat. Seine Unterlippe bewegt sich erfreut und ich setze mich absichtlich ein paar Meter von ihm entfernt auf den Boden. Erstaunlich! Er beginnt sich selbst auf mich zuzurollen und zu krabbeln und ich kann die Tränen in den Augen von Denny sehen, als er sich selbst aufsetzt um mich zum ersten Mal zu berühren! Wow! Das kann Motivation machen! Seine Augen strahlen!
Mamat’s Finger sind immer noch gekrümmt, aber obwohl er immer noch eingeschränkt ist, fängt er an, sie dazu zu benutzen, um sich selbst hochzuziehen! Man kann die Entschlossenheit in seinen Augen sehen!
Mamat weiß, er ist auf dem richtigen Weg. Ich kann es nicht erwarten, zu sehen, wie er lernt wieder in die Bäume zu klettern! Ich untersuche seinen Rücken und kitzle ihn an verschiedenen Stellen. Er kann überall etwas spüren. Ich denke, dieser kleine Kämpfer wird es schaffen! Ich glaube, es gibt immer noch eine Chance, dass Mamat die anderen in den wunderschönen Saran-Wald begleiten wird, bei dem Dajak Dorf Tembak, um wieder nach so vielen Jahren des Leidens und der Misshandlungen in Freiheit zu leben.
Mit einem warmen Gefühl in meinem Herzen, gehe ich zur Kobus Foundation zurück, um mich mit Noco Tatontos zu treffen, dem Masarang Zuckerpalmen-Instruktor, der gerade von einem anderen Dorf zurückkam, wo die lokalen Menschen uns um unsere Hilfe gebeten haben, ihnen gegen die Ölpalmen zu helfen, dem gemeinsamen Feind vieler Einheimischen und Orang-Utans. Nur Mamat zu helfen, damit er sich erholt und wieder in den Bäumen klettern kann, wird, auch wenn es persönlich sehr erfüllend ist, weder ihm noch den Dayak eine nachhaltige Zukunft ermöglichen. Das kann nur passieren, indem man für Mensch und Natur faire Möglichkeiten anbietet. Aber welch eine Inspiration dieser junge Bursche ist! Seine hoffnungsvollen Augen und die ersten erkämpften Schritte auf dem Weg in eine bessere Zukunft, geben mir all die Stärke, die ich benötige, um weiterhin an integrierten, nachhaltigen Lösungen für seine und unsere Zukunft zu arbeiten.
Willie Smits,
Sintang, 3-10-2012
Vor einem Monat war keine Kraft in Mamat’s Armen. Alles was er tun konnte, war, auf seinem Bett aus Blättern zu liegen und mit Verzweiflung und Traurigkeit in seinen Augen zu schauen. Wir waren sehr glücklich über seine ersten Versuche sich herum zurollen! Und nun…! Mit seinen abgezehrten Beinen schaffte er es zum ersten Mal, sich auf seinen Baumstamm zu setzen und aus eigener Kraft zu sitzen! Diese Verwandlung ist fast ein Wunder!
Letzte Neuigkeiten? Man hat gesehen, wie er sich ein Handtuch über den Kopf legte, indem er seine Arme und Beine benutzte!
Sehen Sie hier ein beeindruckendes Video vom Frühjahr 2014 aus Sintang, wie sich Mamat wieder ins Leben zurück kämpfte!
https://player.vimeo.com/video/83583797
Für die Orang-Utans in Sintang und Tembak kann über
www.orangutanrescue.nl eine Patenschaft übernommen werden.
(Englischer Originaltext:
http://www.orangutanoutreachnederland.nl/2012/10/nieuwe-in-sintang-mamat/)