Seine Mutter wurde vermutlich mit einem selbstgebauten, langen Jagdgewehr getötet, irgendwo in Zentral-Kalimantan, wo die Menschen immer weiter in das Waldhabitat der Orang-Utans vordringen. Iskandar war noch ein Baby und klammerte sich an den Körper seiner Mutter als er brutal von ihrem sterbenden Körper weggerissen wurde. Wir wissen nicht wie oft er verkauft und weitergereicht wurde, bis er auf ein Boot geladen wurde, das ihn von Borneo nach Java und von dort weiter nach Sulawesi brachte. Über einen Überlandtrip gelangte er dann in die Provinz Nord-Sulawesi. Von dort sollte er mit vielen anderen Tieren aus Kalimantan, wie zwei Maleienbären und Gibbons, auf die nahegelegenen Philippinen geschmuggelt werden. Von den Philippinen wurden abertausende von Tieren mit Schutzstatus in die ganze Welt geschmuggelt. Doch anderes als in vielen anderen Fällen, wurden diesmal die Schmuggler gestoppt und Iskandar und die anderen Wildtiere wurden konfisziert und kamen ins Tasikoki Wildtierrettungs- und Bildungszentrum, das zur Masarang Stiftung gehört. In Tasikoki kam bald noch ein weiteres männliches Orang-Utan Baby hinzu, das Bento genannt wurde.
Alle Orang-Utan-Zentren waren bereits überladen mit den vor Ort geretteten Orang-Utans, die Priorität hatten gegenüber der teuren Rückführung dieser beiden männlichen Orang-Utans. Als die beiden zu groß wurden wurde es immer unmöglicher sie zurückzuführen. Iskandar und Bento wurden sowohl von den Mitarbeitern als auch den Volontären in Tasikoki in all den Jahren sehr geliebt. Es gab so viele Menschen, die unsere Arbeit unterstützten und soviele Menschen waren in die Pflege von Iskandar und Bento involviert, dass wir hier nicht alle einzeln nennen können. Wir sind aber sehr dankbar für alle Liebe und Unterstützung für unsere Bemühungen, diesen beiden großartigen Geschöpfen zu helfen.
Erst als ein neues Zentrum auf Ost-Kalimantan eröffnet wurde, bekamen Iskandar und Bento die Chance die ersten voll ausgewachsenen Orang-Utan Männer zu sein, die ein Teil eines experimentellen Vorgehens wurden, in dem nur ausgewachsene Orang-Utan Männer waren, die ansonsten keine Chance hatten normal ausgewildert werden zu können.
Mit Hilfe der Arsari Stiftung wurde der komplizierte und schwierige Transport von Sulawesi zurück nach Borneo über Land, mittels Fähre, und dann wieder über Land möglich. Begleitet wurden sie dabei von den Pflegern, mit denen sie am besten vertraut waren, sowie Simon Purser, der der Manager in Tasikoki über 7 Jahre hinweg war. Noldy war der hauptverantwortliche Üfleger für die Primaten in Tasikoki und hat sich über 14 Jahre um Iskandar und Bento gekümmert. Als er hörte, dass Iskandar auf Kalimantan verstorben ist, hat er geweint. Im Folgenden beschreibt Noldy wie Isakandar in den 14 Jahren war:
“Als die Polizei das kleine Orang-Utan Baby in unsere Klinik brachte – Doktor Louise war noch da – war es das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Orang-Utan sah und ich spürte sofort, wie menschenähnlich er war. Ich erinnere mich, wie sich unser Team abwechselte, um ihm alle 4 Stunden rund um die Uhr Milch zu geben, und wie er sich danach sehnte gehalten zu werden. Anfangs hatte er nur einen Korb in der Klinik und wir nahmen ihn mit nach Draußen, um in den Bäumen um die Klinik zu spielen. Er liebte es.
Is (so hatten die Mitarbeiter seinen Namen abgekürzt) war sehr frech. Er wollte immer an unserer Kleidung ziehen und zerriss viele Shirts und Hosen in all den Jahren! Ich bemerkte, dass Is Frauen lieber als Männer hatte. Is war auch ganz besonders fasziniert von den Tattoos an den Armen der Menschen. Später hat er es auch geschafft aus seinem Käfig auszubrechen und er kam erst wieder zurück, wenn Maxi mit seinen Tattoos ihn rief und ihn zurückbegleitete.
Is war sehr schlau und raffiniert. Als die Computer-Touch-Screens im Käfig von Is und Bento installiert wurden, lernte er sehr schnell das Bild einer Frucht zu berühren, damit er diese Frucht auf der anderen Seite des Käfigs bekam. Wenn aber Bilder von Früchten auf dem Bildschirm erschienen, die er nicht mochte, schlug er sehr fest aus Frustration auf den mit dickem Glass geschützten Bildschirm.
Im linken Bild sind Iskandar und Bento noch klein und spielen ausserhalb der Klinik am Tasikoki Wildtierrettungs- und Bildungs-Zentrum.
Im rechten Bild sieht man Simon Purser mit Iskandar als er endlich mit Bento im Projekt auf Kalimantan angekommen ist.
Is suchte immer Schwachstellen in der Käfigkonstruktion. Er hat seine Ausbruchsversuche auch immer auf die Wochenenden gelegt, wenn weniger Mitarbeiter da waren. Auch schien er genau zu wissen wann Weihnachten war. Jedesmal am 25. Dezember ergriff er seine Chance und versuchte aus seinem Käfig auszubrechen, da dann am wenigsten Mitarbeiter da waren. Er hielt immer Ausschau nach Holzstücken oder starken Ästen mit denen er jede Schwachstelle im großen Gehege in dem er zusammen mit Bento war, aushebelte. Einmal kam er auch irgendwie an ein Metallrohr, versteckte es aber wenn jemand in der Nähe war. In der Nacht fing er mit seiner Arbeit an und benutzte das Metallrohr um die Schweißnähte aufzubrechen! Nachdem wir in mehrere Stunden Heimlich beobachteten sahen wir endlich wo er das Metallrohr versteckte und wie er es benutzte, um den Käfig zu öffnen!
Is klaute und versteckte sogar einmal eine Zange, um die Scharniere der Käfigtüren zu lockern. Er verhandelte immer mit den Pflegern über Menge und Art der Früchte, die er bekommen sollte, damit er den Stein/Stecken/Rohr/Werkzeug zurück gibt. Is beobachtete immer was die Menschen taten und imitierte sie. Wenn die Pfleger sauber machten, machte er es ihnen im Käfig nach. Er war absolut fokusiert, wenn man Werkzeuge einsetzte, um den Käfig zu reparieren.
Wenn Is Bento ärgerte zog er normalerweise den Kürzeren. Aber wenn beide während oder nach so einer Auseinandersetzung getrennt wurden, saß er nur traurig da und sah ständig Bento an, als ob er ihn vermisste. Einmal hate er eine Wunde und er wußte, dass die Ärztin ihm helfen konnte, also lies er sie an seine Wunde. Wenn Is manchmal aufhörte zu essen, bekam er in den moisten Fällen Grippe. Das einzige was er dann mit Schwierigkeiten und in geringen Mengen zu sich nahm war Obstsaft. Es dauerte dann 2 bis 3 Tage bis er wieder anfing normal zu essen.
Als es an der Zeit war, Is und Bento nach Kalimantan zu bringen, war ich sehr glücklich. Es war sehr schwierig, 4 Tage lang mit dem Lastwagen und dann einen Tag auf dem Boot von Palu nach Balikpapan. Is brachte es fertig, die super starken Stahltransportkäfige aufzubrechen. Simon (Purser) und ich versuchten bei Is hinten auf dem fahrenden Lastwagen zu sitzen, was ihm etwas den Stress nahm. Er war so glücklich sein sehr großes und neues Gehege dort zu sehen und das tolle Team, das sich um sie kümmerte und von Odom angeführt wird. Es war das erste Mal, dass ich die großen Bäume im Wald auf Kalimantan sah und es machte mich glücklich, dass Is schlußendlich zurück in den Wald konnte. Jetzt bin ich sehr traurig, dass er es nicht mehr schaffte, aber ich denke, wir haben für ihn und Bento alles gegeben.”
(aufgezeichnet nach einem Interview mit Noldy am 18.Januar 2021)
Unten einige Bilder vom Arsari Center wo das Team alles dafür vorbereitete, dass Iskandar auf die 254 Hektar große Insel Kalawasen freigelassen werden konnte.
Oben die Sozialisierungskäfige, um die verschiedenen erwachsenen Orang-Utan Männer aneinander zu gewöhnen.
Das Arsari Team. Von oben links nach rechts: Wiwiek Sintya, Projektleiter Odom, Echa Openg, Berta Busa. Unten von links nach rechts: Sanitäter Rajuli, Fernando Rama, Tierarzt Putu Suandhika, M. Nur und Samsul.