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Willie's Blog August 2014: Aussicht auf Hoffnung

Willie's Blog August 2014: Aussicht auf Hoffnung


Es tut so gut, die Möglichkeit zu haben, all das zu geben, was ich geben kann. An diesem einen Abend, auf einer kleinen Terrasse inmitten von Borneo, als alle anderen Gäste bereits schlafen gegangen waren, saß ich immer noch da mit den Älteren der Dorfbewohner des Saran-Waldes und es passierte etwas für mich absolut Magisches. An diesem Abend, dem 27. August 2013 um Mitternacht, fühlte ich ein so starkes Glücksgefühl, dass es mich in der feuchtwarmen Nacht fröstelte.

Ich habe ihre Tränen gesehen, aber auch diese neu aufgekommene Hoffnung. Sogar der stille Beobachter, der Anführer der Spauk, der mich seit Monaten auf den drei vorhergehenden Meetings beobachtet hatte, sowie diesen Morgen und diesen Nachmittag im Langan-Dorf während des letzten Meetings, brach seine Stille. Ich sah ihn immer aus meinen Augenwinkeln sehr genau zuhören und zusehen, das tat ich bei jeder meiner Vorlesungen. Während ich vortrage, kann ich diese Menschen fühlen, die aufmerksam zuhören, und ich präge mir ihre Gesichter ein, und sogar die Plätze, wo sie sitzen, mit meinem fotografischen Gedächtnis.

An diesem Abend sprach er mich direkt an, er wagte es, diesem “Außenseiter“ zu vertrauen mit Dingen, die von so tief drinnen kamen und dass er darauf vertrauen musste, dass ich sie für mich behalten würde. Ich werde die Details bei mir behalten, aber dennoch werde ich mitteilen, worum es ging.
 
Einige der Leute, beim vierten Treffen des Dajak-Forums Tempunak/Spauk/Belimbing am 27. August 2014, im Langan-Dorf in einem speziell für dieses Treffen konstruierten Unterstand.

Es ist schwer darüber zu schreiben, objektiv darüber zu berichten, was an diesem Abend hier passierte, als die Frösche zu quaken und die Zikaden zu zirpen begannen. Aber ich werde es versuchen. Vielleicht nur für mich selber. Diese Momente muss man festhalten, in denen man fühlt, dass etwas Besonderes passiert. Kein Austausch von Materiellem oder Wertvollem, keine Unterschrift, nichts, dass wirklich mit Worten ausgedrückt werden kann.... Hoffnung bringt Leben. Und Leben floss plötzlich in diese Älteren. Auch wenn sie wussten, dass ihr Kampf gerade erst begonnen hatte. Als ich mich gegen Zwei Uhr in dieser Nacht zurückzog, machten diese Menschen weiter, und ich fühlte, wie ihre Schwingungen wuchsen. Eine sehr autarke Reaktion hatte stattgefunden und ich war so begeistert, der zündende Funke dafür gewesen zu sein.
 
An diesem Abend waren die Älteren und ich von einer sehr langen und beschwerlichen Reise zurückgekommen, den ganzen Weg von Langan am Fuße des Saran-Berges, nach Tembak, über Straßen, die die meisten Menschen für unpassierbar halten würden. Und da waren all diese Freunde, die auf der Terrasse warteten. Menschen aus der ganzen Welt, die sich daran beteiligen, diesem abgelegenen Dorf namens Tembak zu helfen. Ein Schweißer, ein Filmemacher, ein professioneller Manager, ein Fotograf, ein Lehrer, ein Biologe, sie alle tranken zusammen und fühlten sich wunderbar, als sie über ihre Fortschritte sprachen, mit der Bevölkerung zusammenzuarbeiten. Sie sind dort, erzählen ihre Geschichten, bauen eine Infrastruktur auf, um ein nachhaltiges Leben hier zu ermöglichen. Und jeder einzelne von ihnen kann berechtigterweise stolz darauf sein, was er hier geleistet hat.

Für mich war das der Moment, um nach 24 Stunden unterwegs sein und Vorlesungen halten etwas Schlaf zu bekommen, und mich zurückzuziehen, während ich diese aufflammende Hoffnung immer mehr spüren konnte, als die Stimmen der Alten noch immer nicht verstummen wollten auf der Terrasse und ich in lebhafte aber schöne Träume hinüberglitt.

Wir, und damit meine ich die Menschen, die engagiert und passioniert dabei sind, immer etwas beizutragen, setzen uns Ziele, wir haben hohe Ambitionen, diese auch zu erreichen, und wir tun alles dafür. Jedoch müssen wir mit unseren Energien haushalten, um zu vermeiden, dass wir ausgebrannt und letztlich frustriert wären, wenn wir nicht erreichen, was wir uns vorgenommen haben. Manchmal war ich ganz nahe dran. Das sind die Momente, um zu reflektieren, zu evaluieren und darüber nachzudenken, Dinge anders anzugehen oder einen anderen Weg einzuschlagen. Ein gewisses Maß an Akzeptanz ist aber immer zwingend. Und ich fühlte genau dieses heute Abend. Diese Menschen trafen eine Wahl. Eine Wahl, auf die ich schon seit langem hoffte.

Lasst mich zusammenfassen, wie es dazu kam. Meine persönliche Reise war eine mit vielen Herausforderungen und vielen Anpassungsnotwendigkeiten. Ich lernte, dass technische Lösungen nicht immer genug waren, und auch Maßnahmen erzwingen zu wollen, gelingt auch nicht immer unter dem Druck der Gesetze. An dieser Stelle in meinem Leben kam ich zu dem Schluss, dass alleine die Natur zu schützen, nicht funktioniert, ohne die drei “Ps“ in Betracht zu ziehen: PEOPLE/PLANET/PROFIT. Das war die Message, die ich acht Jahre zuvor in Deo Soli, einem Kloster des Katholischen Montfort-Ordens in Putussibau, einer kleinen Stadt, tief im Herzen von West Borneo predigte. Ich war dort, weil mich ein früherer Holländischer Missionar, Vater Jacques Maessen einlud als einen Mann mit einem Plan, möglicherweise sogar Lösungen für die Dayaks, deren Rechte und Traditionen systematisch beschnitten wurden.

Einer der Dayaks aus Tembak war ebenfalls dort während der drei Tage meines Besuchs, während meiner ausführlichen Vorträge über technische Lösungen, die auf Fairness für alle basierten. Ich kenne beinahe alle technischen Dinge, wie zum Beispiel Zuckerpalmen für Energie und Einkommen, was am meisten Resonanz bei den anwesenden Menschen auslöste. Der Sohn von Apui fuhr danach zurück und kündigte an, mich einzuladen, aber die Älteren waren nicht so überzeugt davon. Also fand eine sorgfältige Überprüfung statt und ganze Mappen von Material wurden über meine Aktivitäten in Indonesien angelegt, Spione wurden nach Samboja Lestari in Ost-Kalimantan, und nach Tomohon in Nord-Sulawesi geschickt und nach Überprüfung aller Fakten entschieden sie sich einstimmig, dass ich ihnen helfen sollte.

Am Ende holten sie und Pater Jacques mich erfolgreich nach Tembak. Das war ein ganz besonderer Platz. Die lokalen Seberuang-Dayak versuchten selbstständig Lösungen zu finden. Manche lebten in der Vergangenheit, traditionell, manche versuchten, moderner zu werden, indem sie lokale Ressourcen wie die Mini-Wasserkraftwerke, die Elektrizität erzeugen, verwenden, die sie selber gebaut hatten. Ich war beeindruckt von diesem Einsatz. Sie hatten gegen die Holzindustriellen gekämpft, die ihre Wälder zerstörten und sie waren in einem ununterbrochenen Kampf gegen die Palmöl-Unternehmen, die ihr Land einnehmen wollten. Der Ort war schwer zu erreichen, zum einen wegen einer heimtückischen Brücke und andererseits wegen sehr gefährlicher Straßen. Aber der Zauber dieses Dorfes, wo jeder irgendwie mit jedem verwandt ist, war groß. So entschloss ich mich, dem Projekt hier eine Chance zu geben. 
 
Ein langer Prozess von Meetings, kleinen Projekten, Lobbying und Networking begann. Kleine Erfolge wurden erreicht, wie zum Beispiel die Regierung dazu zu bringen, endlich eine neue Brücke zu bauen, damit die Dayaks manche ihrer Güter leichter in die Außenwelt bringen können. Wir bauten ein kleines Langhaus mit Hilfe eines lokalen Sponsors. Baumschulen wurden angelegt und Bäume gepflanzt. Die Schulen bekamen Unterstützung. Kleine Dinge, aber die Menschen bauten langsam Vertrauen zu uns auf, dass wir von Masarang und Kobus sie auf ihrer gesamten Reise begleiten würden.

Apui, ein wundervoll ernsthafter und traditioneller Dayak Medizin-Mann, wurde mein bester Freund und ich lernte viel darüber, was diesen Stamm antrieb. Ich lernte Antonius Lambung kennen, einen sich für seinen Stamm aufopfernden Mann mit einer Vision, wie man diesen Menschen helfen kann. Während einiger Dschungel-Expeditionen mit diesen beiden, wo der unermessliche Wert des Waldes erkundet wurde, wurde mir die Liebe dieser Menschen zu ihrem Regenwald noch einmal sehr klar, genauso wie deren Einsatz, andere zu motivieren, diesen Wald zu schützen.
 
 
Während der Saran-Expedition. Links Apui, Mitte Antonius Lambung

Ich war meist nützlich, und ich wusste das, wegen der Besucher und der Räumlichkeiten, die ich brachte. Durch das Orang-Utan Projekt und noch mehr Besucher wurde Tembak besser positioniert, was sich auch positiv auf die lokale Wirtschaft auswirkte. Jetzt ist sogar die Illipe-Nuss-Fabrik ein Faktum. Nach und nach begannen Antonius Lambung und sein Bruder Nayau auf Nachbardörfer Einfluss zu nehmen. Der Anführer des Nachbardorfes, der in das Dorf eingeheiratet hatte, manipulierte die Dorfbewohner dahingehend, dass sie ihr Land und ihren Wald an Palmöl-Unternehmen verkauften. Dieser nahegelegene Verlust des Waldes und die sich einschleichende Bedrohung für Tembak war für uns der Startschuss, den Wald mit GPS zu vermessen und einige Stammesmeetings zu organisieren.

Gestern war das letzte dieser Treffen. Ich sprach sehr offen mit den Anführern. Abholzungs-Unternehmen, Palmöl-Firmen, korrupte Politiker, das alles sind ernsthafte Bedrohungen. Aber noch immer nicht alle. Auch euer traditioneller Lebensstil ist dem Untergang geweiht. Ihr müsst auch mit den Auswirkungen eurer eigenen Handlungen umgehen lernen. Die wandernde Rodungskultur schädigt den Boden wenn der Kreislauf zu kurz gehalten wird, und ihr wisst das. Aber wenn du jedes Jahr 1 Hektar Land brauchst, um es abzubrennen für deine Familie, dann brauchst du 10 Hektar sekundären Wald, um das Land wieder produktiv werden zu lassen! Aber wenn du fünf Kinder hast, brauchst du dann 50 Hektar! Es gibt aber keine 50 Hektar mehr für jede Familie! Der Wald wird also auch durch eure Hände verschwinden!

Ich werde nicht zu sehr in technische Details gehen, darüber könnt ihr mehr in meinen früheren Blogs lesen. Was wichtig ist, ist die Tatsache, dass die Menschen verstanden hatten, worum es ging in den vier Stunden meiner “Ansprache“, und, dass sie die Probleme nun in die Hand nehmen wollen. Gestern Abend auf dieser Terrasse von Nayau in Tembak sprachen wir nicht länger über technische Probleme. Es ging um Vertrauensbruch und Vertrauen. Ich war manchmal sehr hart zu den Dayaks, speziell als sie versuchten, aus mir noch mehr Ressourcen herauszubekommen, oder als sie die Prinzipien von Teilen, Ehrlichkeit und Einsatz bezweifelten. Das waren die Probleme der letzten Nacht. Ich sagte ihnen, dass keiner von ihnen alleine etwas würde ändern können, aber gemeinsam, basierend auf eben Vertrauen, Gemeinsamkeit und Tradition könnten sie alles erreichen. Das war der Moment, wo der Funke dann letztlich übergesprungen ist.

Ich hörte sie sagen: “Wir müssen das alles selber schaffen! Wir dürfen nicht alleine von Willie abhängig sein. Dies ist unser Land, unser Wald und unsere Zukunft. Wir haben keine Chance außer wir verbünden uns! Wir müssen für unsere Kinder kämpfen, für unsere Zukunft und unser überleben!“ Sie organisierten noch an diesem Abend einen Anführer, der der Sprecher des Stammes sein sollte. Sie waren vereint!

Einige hatten die eine oder andere Träne in den Augen, aber als ich dies von meinem Zimmer aus hörte, ließ ich meine Freuden-Tränen auf die Matratze fließen in dieser heißen und tropischen Nach. Ich fühle, nein, ich glaube, diese Flamme wird ein großes Feuer werden. Und ja, ich bin dankbar, dass ich hiervon ein Teil sein durfte.

Willie Smits
Tembak, 28. August 2014
 (Übersetzung: K. Hackl)
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